Politische Bildung mit «Schweiz debattiert» an der PH BERN

Bei der Ausbildung angehender Lehrpersonen am Institut Sekundarstufe 1 der PHBern greifen wir seit einigen Jahren in unterschiedlichen Formen auf Angebote von «Schweiz debattiert» zurück. In Lehrveranstaltungen angehender Lehrpersonen in «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» (WAH), «Räume, Zeiten, Gesellschaften» (RZG) oder auch in Forschungspraktika, in denen Studierende Debattenschulungen durchlaufen, um selbst Schulklassen durch Debattier-Nachmittage zu führen. In vielerlei Hinsicht unterstützen uns die Angebote von «Schweiz debattiert» bei der Ausbildung insbesondere von angehenden RZG-Lehrpersonen.

Seit den 70er Jahren gilt für den deutschsprachigen Raum in Politischer Bildung der Minimalkonsens von Beutelsbach als Haltungsgrundlage. Der Konsens legt drei Prinzipien für den Politikunterricht fest. Gemäss des Überwältigungsverbots (auch Indoktrinationsverbot) dürfen Lehrende Schüler*innen nicht ihre Meinung aufzwingen, sondern sollen Schüler*innen in die Lage versetzen, sich mit Hilfe des Unterrichts eine eigene Meinung bilden zu können. Dies ist der Zielsetzung der politischen Bildung geschuldet, die Schüler*innen zu mündigen Bürger*innen heranzubilden. Das Gebot der Kontroversität zielt ebenfalls darauf ab, den Schüler*innen freie Meinungsbildung zu ermöglichen. Lehrpersonen müssen ein Thema kontrovers darstellen und diskutieren können, wenn es in der Wissenschaft oder Politik kontrovers erscheint. Die Wissenschaftsorientierung ist hier zentral; es sollen keine Denkalternativen angeboten werden, die wissenschaftlichen Minimalanforderungen nicht genügen (Kreationismus, Verschwörungstheorien etc.). Die eigene Meinung der Lehrpersonen und ihre politischen wie theoretischen Standpunkte sind dabei für den Unterricht unerheblich und dürfen nicht zur Überwältigung der Schüler eingesetzt werden. Letzter Aspekt des Beutelsbacher Konsens ist das Prinzip Schüler*innenorientierung. Dabei ist die Themenwahl von zentraler Bedeutung. Es sollen Themen gewählt werden, für die Schüler*innen der Zielstufe am ehesten «brennen», um ihnen die Konflikthaftigkeit der Politik näher zu bringen und die politische Situation der Gesellschaft und ihre je eigenen Position zu analysieren, um sich (eventuell) aktiv am politischen Prozess zu beteiligen (Politische Handlungskompetenz). Der Beutelsbacher Konsens bildet die normative und ideelle Grundlage der Ausbildung von Lehrpersonen in Politischer Bildung an der PH Bern.

«Schweiz debattiert» unterstützt Lehrpersonen die normativen Anforderungen des Beutelsbacher Konsens umzusetzen und bietet die entsprechenden didaktischen Spielformen, mit denen politische Streitfragen debattiert werden. Eben nicht ein politischer «Hahnenkampf» ein einer Arena, sondern vielmehr das Einüben einer Streit- und Debattenkultur im Sinne der Förderung von politischen Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen: Was ist ein gutes Argument? Wie komme ich zu guten Argumenten? Wie gestalte ich eine Überzeugungsrede? Wie schreibe ich eine Stellungnahme? Welche Argumente hat die Gegenseite und wie reagiere ich auf diese?

Das ist der Stand heute. Für mich stellt sich die Frage, wie die Angebote von «Schweiz debattiert» auch für andere Zielgruppen an der PHBern beliebt gemacht werden können. Insbesondere Schüler*innen aus Zyklus 2 werden bisher zu wenig beachtet (und damit auch angehende Lehrpersonen für 3.-6. Klasse). Hier steckt ein grosses Potential: Wie können die bestehenden Angebote angepasst werden, um Schüler*innen der Primarstufe mit den Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen der Politischen Bildung vertraut zu machen, die sie zur Debattierfähigkeit heranführen? Das ist ein Feld, das mich reizt und meines Erachtens einiges an Möglichkeiten steckt. Ich wünsche mir und bin zuversichtlich, dass wir an dieser Stelle in einigen Jahren von erfolgreichen Debattierarrangements bei Viertklässler*innen berichten werden.

Andreas Stadelmann, Dozent RZG (Geschichte und Politische Bildung), Institut Sekundarstufe 1, PHBern

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