Debattieren lehren in schwierigen Zeiten – Ein Erfahrungsbericht

Am 5. September 2025 präsentierte schweiz debattiert einen Marktstand beim ERG-on-the-Spot Praxistag in Muttenz. Unter dem Motto Gutes tun in schwierigen Zeiten trafen sich Lehrpersonen und Bildungsinteressierte, um gemeinsam zu reflektieren, wie pädagogisches Handeln in einer Zeit globaler Herausforderungen aussehen kann.

Die Tagung begann mit einem Impuls von Dr. Alexandra Binnenkade und Dr. Robin Schmidt, die einen konzeptionellen Rahmen für das Thema schufen. Im Mittelpunkt stand die Überlegung, wie wir kleine Mikroräume schaffen können, um über eigene Handlungsspielräume in komplexen gesellschaftlichen Fragestellungen nachzudenken.

Im anschliessenden Barcamp wurde deutlich, wie vielfältig die emotionalen Reaktionen auf globale Schlüsselprobleme sind: Schuldgefühle beim Thema Nachhaltigkeit, Wut angesichts von Ungerechtigkeiten oder auch Gleichgültigkeit gegenüber demokratischen Krisen. Diese Bandbreite an Emotionen stellt Lehrpersonen vor die Herausforderung, Zugänge zu finden, die weder überfordern noch bagatellisieren.

Die Marktstandphase bot Raum für praktische Ansätze. Unser Stand von schweiz debattiert ermöglichte den Teilnehmenden, direkt in die Praxis einzutauchen: In kurzen 1-Minuten-Reden wurden gesellschaftlich relevante Themen aus verschiedenen, zufällig zugelosten Perspektiven beleuchtet. Diese Mikroweiterbildung machte erfahrbar, dass Debattieren weit mehr ist als rhetorische Übung – es schult Empathie, kritisches Denken und die Fähigkeit, auch unbequeme Standpunkte nachzuvollziehen. Gerade diese Kompetenz des Perspektivwechsels fördert gegenseitiges Verständnis in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft.

Gespräch mit Prof. Dr. Nadia Mazouz

Den Schlusspunkt bildete das Gespräch mit Prof. Dr. Nadia Mazouz von der ETH Zürich. Die Philosophin analysierte die Ergebnisse aus dem Barcamp und den Marktständen und kontextualisierte die Wahrnehmung gegenwärtiger Herausforderungen und die Bedeutung des „Gutes tun“ aus Sicht der Teilnehmenden. Sie beschrieb die aktuellen Herausforderungen als „Polykrise“ und führte durch verschiedene soziologische Betrachtungen historischer Zäsuren – von der Moderne über die Spätmoderne bis zu dem, was sie als „Zu-Spät-Moderne“ bezeichnete. In dieser Epoche erkennen wir die Probleme zwar deutlich, können aber mit unseren bestehenden Denkmodellen kaum positive Zukunftsvisionen entwickeln. Das Gespräch weckte auf jeden Fall die Neugier, mehr über ihre Forschung zu erfahren.

Persönliches Fazit

Für mich war dieser Praxistag eine bereichernde Erfahrung, die meine Überzeugung stärkte, dass das Debattiermodul ein wertvolles Instrument ist, das Perspektivwechsel ermöglicht und kritisches Denken fördert. Noch wichtiger sind vielleicht die Gesprächsräume, in denen Menschen sich über gesellschaftliche Themen austauschen können. Ich werde den Gedanken nicht los, dass „Wir sollten uns dafür interessieren, uns füreinander zu interessieren“ zwar simpel klingen mag, aber eine tiefe Wahrheit enthält: Echtes Interesse – an Menschen, ihren Standpunkten und auch ihren Zweifeln – bildet den Nährboden für eine Debattenkultur, die nicht spaltet, sondern verbindet. In einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung ist dies mein Versprechen für den Unterricht: Wir können junge Menschen darauf vorbereiten, nicht nur informiert zu sein, sondern auch dialogfähig in die Zukunft zu gehen – sowohl im Konsens als auch im Dissens.

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