«Es muss möglich sein, trotz existentieller Konflikte, und ohne, dass man Differenzen aufgibt, miteinander so auszukommen, dass das nicht in der wechselseitigen Vernichtung endet.» (Julian Nida-Rümelin, S. 14)
Ich erlaube mir ein Buch zu empfehlen, das – mit dem Erscheinungsjahr 2006 – vielleicht schon zum «alten Eisen» gezählt werden müsste. Der Titel und die ersten Zeilen des Vorworts haben mich aber neugierig gemacht:
«Demokratie ist ohne Wahrheitsansprüche inhaltsleer. Demokratie ist kein blosses Spiel der Interessen. Politische Entscheidungen sind nicht lediglich «Dezisionen» ohne Begründung und ohne ethischen Gehalt. …»
In vier Kapiteln erläutert Nida-Rümelin, unter welchen Bedingungen eine Demokratie ihre Menschenfreundlichkeit – und damit ihre Berechtigung – bewahren kann.
Dazu gehört die Erkenntnis, dass wir heute aus philosophischer Sicht auf «keine endgültigen Gewissheiten» mehr zählen können. Das Zusammenleben nach den demokratischen Grundsätzen «Freiheit und Gleichheit» kann aber nur gelingen, wenn normative Überzeugungen geteilt werden. Dazu gehören implizite Abmachungen wie «Ich glaube an meine Aussagen» und «Ich halte mich an meine Versprechen». Weiter braucht es auch einen Konsens darüber, dass die Begriffe «Freiheit» und «Gleichheit» in eine Balance gebracht werden müssen: Freiheit erschöpft sich nicht darin, keine Herrschaft über sich zu dulden. Und Gleichheit hat viel mit meinem Zugeständnis dem andern gegenüber zu tun, gleiche Rechte und Bedürfnisse zu haben: angehört, ernst genommen, berücksichtigt usw. zu werden (siehe Menschenrechte).
«Demokratie und Wahrheit» war für mich vorerst eine sperrige Lektüre, die mich oft zwang zurück zu blättern und nachzulesen, um den Gedankengängen des Autors tatsächlich folgen zu können. Heute ist mir das Buch eine wertvolle Fundgrube, in der ich immer wieder neue Denkanstösse finde.
Ein Buch zum Blättern, Lesen, Nachdenken, In-Frage-stellen; alleine für sich oder gemeinsam im Austausch mit Andersdenkenden.
Autor: Charles v. Graffenried
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